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Beitrag vom 30.05.2006
Un Amour de Paris. Eine neue Sicht auf eine alte Stadt.
Rukshana Adrus-Wenner
Der über 50jährige kontinuierliche Blick auf Paris ist eine Entdeckung. Die Werke der Fotografin Dorothy Bohm werden erstmals in Deutschland im Verborgenen Museum bis 09.07.2006 präsentiert.
Eine Liebeserklärung an Paris sind die ausgestellten Fotografien. Die magische Metropole, die KünstlerInnen und LiteratInnen gleichermaßen faszinierte, entdeckte Dorothy Bohm 1947 auf der Durchreise in die Schweiz. Bei mehreren Aufenthalten im Laufe der Jahre ist sie der Stadt treu geblieben. 2005 schenkte sie dem Musee Carnavalet über 150 ihrer Parisbilder, die jetzt in einer Auswahl in Berlin gezeigt werden.
Hauptaugenmerk der poetischen schwarzweiß Bilder der 1950er und 1960er Jahre, die sie auf langen Spaziergängen festgehalten hat, liegt auf dem Alltag auf Straßen, engen Gassen, verborgenen Vororte, den Bouquinisten am Ufer, der Blumenverkäuferin, dem Leben auf der Seine. Die ab 1985 entstandenen Farbfotos zeigen eine farbige, grelle Stadt. Die Motive und Themen ändern sich, die abgerissenen Plakate mit den Sprachfetzen und Farbflecken wirken zum Teil als abstrakte Malerei.
Menschen, Bücher und auch Bilder haben Schicksale, Geschichten, Umwege. Das Leben und Werk der Fotografin, die 1924 als Dorothea Israelit in Königsberg in eine jüdisch-litauischen Familie hineingeboren wurde, verlief ebenso. Ab 1932 erlebte sie und ihre Familie Umzug, Exil, Vertreibung und Verfolgung. 1939 kam sie als 15jährige Schülerin, gemeinsam mit ihrem älteren Bruder nach England zu Verwandten. Neues Land, neue Sprache. Ungewisse Zukunft. Damals wusste sie nicht, dass dies jahrzehntelange, schicksalhafte Trennung von ihren Eltern und der jüngeren Schwester bedeutete, die zuerst von den Nazi verfolgt und anschließend im sibirischen Gulag fast zwanzig Jahren verbrachten.
Die Begleiterin ihres späteren Lebens war eine Leica, ein Geschenk ihres Vaters, der Hobbyfotograf war. Inspiriert wurde sie auch von ihrer Tante, der Bauhaus-Künstlerin Eva Silbermann, die von den Nazis ermordet wurde. Sie lernte das technisch-fotografische Handwerk von der Pike auf, studierte am College of Technology in Manchester, Wurde Studioportraitistin und kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges eröffnet sie ihr eigenes Studio, "Alexander", ein Name, den sie auch während der Kriegszeiten bei ihren Vorträgen verwendet hatte.
Der Fotokunst widmete sie ihr ganzes Engagement. Dorothy Bohm gilt als Pionierin. Sie hat sich dafür eingesetzt, dass der Fotografie innerhalb der Kunstwelt ein gebührender Platz eingeräumt wird. Sie gründete 1971 gemeinsam mit Sue Davis "The Photographer’s Gallery", die ein Forum für Fotografie wurde, wo alle großen FotografInnen ausgestellt wurden.
Bei ihren zahlreichen Reisen rund um die Welt hat sie stets ihre Aufenthalte genutzt, um ihr Repertoire zu erweitern. So sind Foto-Bücher über Länder, Städte, Landschaften entstanden.
Die Fotografin blickt zurück auf über 60jähriges künstlerische Arbeiten. Sie wirkt nach wie vor neugierig auf Neues und ihre Augen strahlen. Ab 1984 entdeckt sie die Farbfotografie und ist begeistert. Somit ändern auch die Themen und Motive. Anfangs mit einer Polaroid Kamera, später ausschließlich mit Farbfilm. Sie fotografiert moderne farbige Stadt, Geschäfte, Menschen, Schaufenster, die Plakatwänden, Werbung, bröckelnde Fassaden.
Dem großen Engagement und der Beharrlichkeit des Verborgenen Museums Berlin, das in diesem Jahr sein 20jähriges Bestehen feiert, ist zu verdanken, dass die noch zu entdeckende Fotografin Dorothy Bohm erstmals in Deutschland ans Licht der Öffentlichkeit gebracht wird.
Das Verborgene Museum
Schlüterstraße 70
10625 Berlin
Tel. (030) 313 36 56
Öffnungszeiten: Do/Fr 15 - 19 Uhr, Sa/So 12 - 16 Uhr
Weitere Informationen zur Ausstellung erhalten Sie unter:
www.dasverborgenemuseum.de
Ausstellungskatalog:
Un Amour de Paris - photographies de Dorothy Bohm
Hg. von Musee Carnavalet, Paris 2005
Publikation in franz. u. engl. Sprache:
34.-- Euro